Mittwoch, 13. Juli 2011

Besuch der ALMA (Atacama Large Millimeter Array)

Wie erwähnt mussten wir leider unser Kletterparadies auf 3600m verlassen, da eine Invasion von 50 Jugendlichen aus Santiago das kleine Tal überrannte. Eigentlich auch nicht so schlimm, denn nach einer Woche autark in den Bergen waren unsere Vorräte komplett aufgebraucht. Zurück in San Pedro de Atacama konnten wir recht zügig diese auffüllen und mussten jetzt nur noch im Internet den Wetterbericht für die kommende Woche erfragen. Der Plan war nämlich, am Montag morgen zurück zufahren und weiter zu klettern. Leider waren die Aussichten für die kommenden zwei Woche mehr als schlecht und es stellte sich bald Ernüchterung ein. Aber wie so oft kommt von irgendwo her eine Alternative.
Es hält ein gelber Defender neben uns. Kennzeichen aus Deutschland. Wir lernen Eugen kennen, halten Smalltalk, quatschen übers Auto, wo wir waren, was wir vorhatten, was jetzt nicht geht, ach und „ ja cool wäre eigentlich wenn man die ALMA besuchen könnte“(ich).“ Ach klar, das geht bestimmt“,meint Eugen, „der US amerikanische Teil des Großprojektes hat einen technischen Projektleiter aus Deutschland den ich kenne.“ Ein Auto hupt, Eugen grüßt und meint, „schaut, das war Lutz“. Eugen bietet sich an Lutz zu fragen ob er einen Besuch abklären kann und wir würden uns dann später wieder treffen. Das Treffen klappt leider nicht an diesem Abend und auch die Verabredung, dass wir uns am Schlafplatz am Fluss treffen, da Eugen auch in seinem Auto wohnt und dort schläft, kommt auch nicht zustande, weil wir rechts statt links abbiegen und ganz wo anders raus kommen als geplant. Aber am nächsten Vormittag treffen wir uns wieder zufällig in der Stadt und da Sonntag ist und Eugen gerade für einen Deutschen arbeitet der ein Haus baut, lädt er uns zum Mittagessen auf die Baustelle ein, wo wir auch Lutz und seine Frau Elli treffen würden. Klar gerne. Bier hatten wir noch im Kühlschrank und außerdem war Sonntag.
Wir verbrachten einen gemütlichen Tag, bei gutem Essen und anschließendem Bierchen auf der Baustelle. Da es dann doch ein paar Bier mehr waren als gedacht, schliefen wir im Auto auf dem Grundstück. Am nächsten Tag waren wir zum Abendbrot bei Elli und Lutz eingeladen wo wir auch Chloe ihre zweijährige Tochter kennenlernten. Und das tollste war: „morgen Dienstag um 8:30 fahren wir zusammen hoch zur ALMA und ich zeige euch alles“, meint Lutz. „Eh, klar, wir sind da.“
Und dann fuhren wir hoch und es war einfach toll. Die ALMA ist ein Gemeinschaftsprojekt der USA, Europa und Japan. Ziel des Projektes ist es, durch Messung von Millimeter- und Submillimeterwellen im Bereich von z.B. Gasnebeln im All mehr über die Entstehung des Universums und dessen Zusammensetzung zu erfahren. Man hofft einen Blick auf die Entstehung von Sternen zu erhaschen und einige bis jetzt noch unbekannte Elemente zu entdecken. Die USA und Europa bauen je die Hälfte der Großantennen mit 12m Durchmesser, die später zu einer „großen“ Antenne zusammen geschaltet werden können. Der Teil der Japaner umfasst kleinere 7m und einige große 12m Antennen, die als Scanner den Himmel absuchen und festlegen wonach sich später die "große Antenne" ausrichten soll. Die Herausforderungen des Lastenheftes waren, dass alle Antennen bei einem breiten
Temperaturbereich und bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen ihre parabolische Form nicht verändern dürfen. Jetzt geht es hier nicht um Millimeter oder Zehntel, die Form der Spiegel muss in einer Toleranz von zwei gedachten, paraboloiden zu einander parallelen Ebenen von unglaublichen 25µm liegen. Gleichzeitig müssen alle 56 Antennen innerhalb weniger Millisekunden synchron ihre Peilung am Himmel ändern, da das Hauptmessverfahren eine Differenzmessung darstellt zu bekannten Fixpunkten im All. Konstruktiv unterscheiden sich die Antennen in ihren Antrieben (Linearantrieb in Europa und Japan; Servomotoren in USA) die Schüsselgrundkörper sind jedoch bei allen Kohlefaser und die Schnittstelle zwischen Gestell und Schüssel wird aus einem INVER-Stahlring hergestellt der keine Wärmeausdehnung besitzt . Vieles der Technik bei beiden Konstruktionen kommt aus Deutschland. Die Konstruktion der US amerikanischen Antenne kommt zu 100% aus einer deutschen Firma des US Konzerns und die Europäische Konstruktion wurde in Italien entworfen. Der Montageplatz und die Wissenschaftsgebäude befinden sich auf 2900m. Der eigentliche Antennenpark wird jedoch auf dem Chajnantor-Hochplateau in 5200m sein. Zum Transport der Antennen auf das Altiplano und zu Wartungszwecken wieder zurück werden zwei identische Spezialtransporter eingesetzt, die in Deutschland entwickelt und gebaut wurden. Die sieben achsigen, 28fach bereiften Fahrzeuge sind mit viel Elektronik und noch mehr Hydraulik ausgestattet. Die hydraulischen Komponenten des Antriebes kommen zu meiner Freunde aus dem Bosch-Rexroth Standort in Elchingen, an dem ich bis vor 10 Monaten noch gearbeitet habe. Somit auch von hier viele Grüße nach Bayern und Baden-Württemberg.
Für mich als Ingenieur war die Führung seitens Lutz fantastisch. Wir bekamen einen Einblick in die Montage der Antennen, die Herausforderungen, die die Konstruktion und die Anforderungen mit sich brachten. Was man so alles aus Kohlefaser erstellen kann und in welcher Größe und was INVER-Stahl ist und wie man mit der richtigen Entscheidung am Anfang der Montage die Effektivität deutlich zur Konkurrenz steigern kann. Der Montagetrupp unter der Leitung der USA hat nämlich nicht versäumt am Anfang eine Halle zubauen, in der mit Hilfe von Deckenkränen die Montage von Antenne zu Antenne effizienter wurde. Die Baustelle der Europäer ist leider ein prima Beispiel von „viele Köche verderben den Brei“ und Fehlentscheidungen am Projektbeginn. Da war nämlich eine Halle unnötig teuer und jetzt müssen die Arbeiter und Ingenieure bei Wind und Wetter die Montage unter freiem Himmel durchführen. Teilweise nur geschützt durch behelfsmäßig aufgestellte 40Fuss Container, die bei jeder großen Bewegung des Antennenfußes oder der Schüssel wieder versetzt werden müssen.
Nachdem wir uns die Montagehalle und eine Antenne von innen und außen genau anschauen konnten und Lutz uns den gesamten Montageprozess erklärt hatte, hatten wir Glück auf dem Antennenparkplatz der ALMA einen der Spezialtransporter in Aktion zusehen. Den anderen, geparkten, konnten wir dann in Ruhe genauer unter die Lupe nehmen. Bevor die Antennen auf das Hochplateau gebracht werden wird die Endjustierung des Parabolspiegels vorgenommen. Bei der Montage ist man in der Lage durch optisches Scannen eine Genauigkeit von 40µm zu erreichen. Der letzte Schritt wird dann zum Schluss von den ALMA Ingenieuren durchgeführt um die gewünschte Genauigkeit von 25µm zu erreichen.
Das schlechte Wetter während der Besichtigung konnte unseren Wissensdurst nicht mindern und außerdem sind normalerweise die Anden in diesem Teil Chiles nur sehr selten mit Schnee bedeckt und Wolken sind über einer Salzwüste auch eher selten. Zum Abschluss der Tour bekamen wir noch ein warmes Mittagessen bei Elli, vielen Dank noch mal dafür. Leider wurde das Wetter in den kommenden Tagen immer schlechter und wir beschlossen San Pedro zu verlassen und machten uns auf zum Pazifik.